Lamuca Erfindungen

Bärenhunger

Als Kay mit Genuss die gesammelten Vorräte fraß,
Pilze und Beeren und Nüsse in riesiger Zahl,
rief das Lamucus, das ihm gegenüber saß,
sein Freund sei ja unglaublich hungrig, selbst für einen Bären,
und dieser Bärenhunger sei nicht mehr normal,
worauf sich der Bär dann beeilte, verschämt zu erklären,
er habe, seit er aus dem Tal zu den Bergpässen schritt,
fast nichts gegessen und deshalb jetzt viel Appetit.
Seit jenem Tage, an welchem die Freunde zu zweit
in ihre wohlausgestattete Felsspalte krochen,
wird, wenn man mächtigen Hunger verspürt, weit und breit
von einem wahrhaften „Bärenhunger“ gesprochen.
Kurz: dieses Wort hielt sich bis in die heutige Zeit!
(Kapitel 15)

Bärenkräfte

Er war tief beeindruckt von Kays imponierenden Kräften
und pflegte im Kreis der Lamuca noch lang zu erzählen
von dieser für ihn faszinierenden Eigenschaft,
die in so scharfem Kontrast stand zu eigenen Schwächen.
So kommt es, dass wir bei Beweisen gewaltiger Kraft
bis heute von wahrhaften Bärenkräften sprechen.
(Kapitel 20)

Boot

Und plötzlich war eine neue Idee geboren!
Er würde die Panzer nutzen zu seinem Gebrauch!
Vor Aufregung zuckte Jasper mit seinen Ohren,
und seine Vorderpfoten, die zuckten auch!
Ja, dachte Jasper, das müsste doch eigentlich gehen,
ein schwimmbares Wassergefährt, auf das man sich setzte
und mit dem man alle bestehenden Regeln verletzte,
nach denen stets galt, es würde niemals geschehen,
dass die Lamuca über ein Wasser gehen,
das ihnen höher reichte als nur bis zum Bauch!

Nun könnte man fragen, was war schon Besond’res dabei?
Man weiß ja, dass Boote auf Flüssen und Seen fahren,
und ob es nun Boote oder die Hornpanzer waren,
das war doch im Grunde vollkommen einerlei.
Wenn man so fragte, dann würde man aber vergessen,
noch nie hatte je ein Lamucus ein Boot besessen,
und auch kein anderes Tier aus der riesigen Zahl
der vielen verschiedenen Arten im Bärental.
Zwar gab es im Umkreis des Tales zahlreiche Seen,
auch Flüsse und breite Gebirgsbäche fanden sich dort,
aber man hatte noch niemals ein Boot gesehen.
Es gab für ein Boot noch nicht mal ein eigenes Wort!
Jaspers Idee, mit Booten ins Wasser zu gehen,
ganz so, als ob man ein Fisch oder Seevogel sei,
war zwar, das muss man an dieser Stelle verstehen,
scheinbar ganz einfach, aber doch vollkommen neu!

Die scheinbar ganz simplen Ideen, die unsere festen
Urteile umstoßen, fall’n oft besonders schwer.
Einfach erscheinen sie immer nur hinterher,
und die, die ganz einfach erscheinen, sind häufig die besten!
So einfach sie sind, die Bedeutung ist oft ungeheuer,
wie bei den Ideen vom Rade oder vom Feuer.
In ganz genau dieser Weise gebar aus der Not
Jasper im Tale der Bär’n die Idee mit dem Boot!
(Kapitel 8)

Dübel

Später am selbigen Nachmittag lernte er noch
eine ganz andere haltbare Holzverbindung:
Herr Claus bohrte nämlich in jeweils zwei Äste ein Loch,
und er verband dann die Astlöcher mit einem Dübel.
Jasper rief aufgeregt: „Was für ’ne tolle Erfindung!“
„Ja,“ sagte darauf Herr Claus, „die ist gar nicht so übel!“
(Kapitel 20)

Einen-Bären-Aufbinden

„Der Jasper ist pfiffig! Er ist in den Morgenstunden
nicht neben Kay, seinem Bärenfreund, hergegangen.
sondern hat unten am Brustfell des Bären gehangen,
sich sozusagen den Braunbären aufgebunden,
und weil er sich heute am Morgen den Bären aufband
und vollkommen unsichtbar zwischen Kays Beinen verschwand,
haben die Wächter der Bären, der Chance beraubt,
ihn mit den Augen zu seh’n, die Geschichte geglaubt,
dass nun seit Tagen schon Kay, der gewaltige Bär,
jenseits der Berge zum Jagen gewesen wär’.“

Als Jasper dies hörte, hätte er niemals gedacht,
dass sich in dieser so schicksalsträchtigen Nacht
vor dem für alle Lamuca geplanten Verschwinden
die Redewendung des „einen Bären aufbinden“
einprägen würde dafür, einem andern Geschichten,
die nicht ganz der Wahrheit entsprachen, so zu berichten,
dass man dem anderen sozusagen erlaubte,
sie so auszulegen, dass er sich selber glaubte.
Heute noch heißt’s, wenn wir solche Geschichten erfinden,
dass wir dem anderen nur „einen Bären aufbinden“.
(Kapitel 21)

Feder und Nut

Ins Ende von einigen Stämmen, von denen die Rinden
zuvor schon entfernt worden war’n, schnitt Herr Claus eine Nut –
solch eine Nut ist tiefer und länglicher Schlitz –
und er erklärte dem Lehrling, die Nut sei sehr gut
geeignet, zwei Stücke aus Holz stabil zu verbinden.
Allerdings brauche man zusätzlich noch eine Feder.
Jasper hielt diese Worte zunächst für ’nen Witz,
bis ihm Herr Claus dann erwiderte, solch eine Feder,
sei nichts als ein schmaler und länglicher Holzscheit, den jeder
erfahrene Baumeister häufig und gerne benütze.
Man stecke die Feder in zwei benachbarte Schlitze,
und man verbinde mit ihr die zwei Stücke aus Holz.
(Kapitel 20)

Floß

Herr Franz stand am Steuer, die Pfoten zum Abschied erhoben,
und rief: „Mit der Flosse im Fluss geht die Reise jetzt los!“
Aus diesen Worten des Ältesten Franz entstand,
indem man die Wörter verkürzte und dabei verband,
ein heute für Wassergefährte bei klein und bei groß
bekanntes und weithin gebräuchliches Wort, nämlich „Floß“.
(Kapitel 20)

Holz als Baumaterial für Wassergefährte

Heute würde das sicherlich keinen verblüffen –
wir wissen: Boote werden aus Holz hergestellt!
Damals jedoch, in der alten Lamuca-Welt,
hatte man keinerlei Ahnung von Booten und Schiffen.
Natürlich hatte man Äste schon schwimmen seh’n.
Doch ob das reichte, um schwere Gewichte zu tragen,
das wusste keiner im Kreis der Lamuca zu sagen –
alle hätten befürchtet, gleich unterzugeh’n!
Jasper dagegen hatte es ausprobiert:
Mit einem länglichen Holzstück und einigen Steinen
hatte er in Versuchen in stattlicher Zahl
die Frage der Tragkraft des Holzes im Wasser studiert
und sagte aufgrund der Ergebnisse, er würde meinen,
als Baustoff für Wassergefährte sei Holz ideal!
(Kapitel 19)

Klopfen auf Holz

Dann rief er aus: „Auf alle von euch bin ich stolz!
Jetzt nochmals viel Glück!“ Und Fynn klopfte feste aufs Holz.
Das Klopfen auf Holz als ein Glückwunsch prägte sich ein,
und bald sollte beides zusammen bedeutungsvoll sein!
Wenn später Lamuca oder auch Bär’n gleichermaßen
im Sommer zu nächtlicher Stunde beisammen saßen
und dachten dabei an vergangene Zeiten zurück,
bedeutete Klopfen auf Holz seither immer „viel Glück.“
Und diese Gewohnheiten, die für Lamuca galten,
haben sich bis in die heutigen Tage erhalten!
(Kapitel 19)

Ruder

„Schauen Sie sich,“ sagte sie, „doch die Fische mal an,
wie sie dort unten an vielen verschiedenen Stellen
vollkommen reglos im Wasser zu stehen scheinen,
um anschließend mit einem einzigen Flossenschlag
in völlig verschiedene Richtungen vorwärts zu schnellen.
Ich weiß, es ist schwierig, ein sicheres Urteil zu fällen,
doch wenn man die Fische so anschaut, dann sollte man meinen,
das Wassergefährt, das wir bauen, braucht ähnliche Flossen,
und da ist mir grad’ die Idee durch den Kopf geschossen,
solch eine Flosse aus Holzstücken herzustellen.
Das brächte uns, wenn es gelänge, den ungeheuer’n
Vorteil, man könnte im Wasser das Holzgefährt steuern!“
(Kapitel 20)

Sich-auf-den Holzweg-Begeben

Herrn Fynn lauschten oben Lamuca und unten die Bären,
die lieber nicht auf den Holzweg gegangen wären.
So prägte sich das von Herrn Fynn erfundene Wort
des „Sich-auf-den-Holzweg-Begebens“ hier wie auch dort
allen Beteiligten in die Erinnerung ein.
Noch heute sagen wir „sich auf den Holzweg begeben“,
wenn wir der Auffassung sind, in unserem Streben
durch eigenen Unverstand gescheitert zu sein.
(Kapitel 19)

Tanzbären

Den Tanz, den Kay ganz am Anfang mit Jasper gemacht,
hatte er bald allen anderen Bär’n beigebracht
und konnte damit einen riesigen Treffer landen,
da sämtliche Bären am Tanzen Gefallen fanden.
Sie sprangen im Kreise und fuchtelten mit ihren Pranken
und zuckten mit ihren Hüften im rhythmischen Reigen,
bemüht, allen anderen Bär’n ihre Tanzkunst zu zeigen.
Niemals zuvor hatten Bären so herzlich gelacht,
nichts anderes hatte bei ihnen mehr Freude entfacht
als dieser Tanz, und das Tanzen behielten sie bei:
Dank jenes Treffens im Walde von Jasper und Kay
fanden sich Tanzbären bald bereits weit und breit
über die Erde verteilt – bis in unsere Zeit!
(Kapitel 25)